Studientag 2015: Viele Glieder – ein Leib/d

Am 18.11.2015 war es wieder soweit: der Studientag, der klassisch am Buß- und Bettag stattfindet, sollte die Studierenden in diesem Jahr mit einem etwas kontroversen Thema konfrontieren: „Viele Glieder – ein Leib/d. Gemeinsam studieren, unterschiedlich glauben!?“ Schon die Fragezeichen im Titel ließen andeuten, dass die Meinungen wahrscheinlich weit auseinander gehen können, da gerade dieses Thema uns als Theologiestudierende unmittelbar betrifft. So sollte der Studientag der Studierendenschaft ein Forum bieten, die Vielfalt wahrzunehmen, konstruktiv miteinander ins Gespräch zu kommen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir eigentlich miteinander streiten können.

Schon der Aufbau des Studientages ließ eine gewisse Dynamik erkennen: so wurde im 1.Teil des Tages der Reichtum der Vielfalt thematisiert, wohingegen wir uns im Nachmittagsprogramm mit der Herausforderung der Vielfalt beschäftigten.
Ort des Geschehens war wieder das Schmitthenner-Haus. Zu Beginn des Studientages schien die Zahl der Anwesenden im Saale zunächst noch sehr übersichtlich zu sein, aber im Laufe des Tages wuchs die Teilnehmerzahl deutlich an. Nachdem Technik, Getränke und Snacks bereit waren, ging es auch schon los: die beiden Organisatoren des Studientages, Slawa Dreier und Simeon Prechtel, begrüßten die Anwesenden und leiteten auch direkt zu einer Bibelarbeit über, die mit der Methode des Bibelteilens in Gruppen 1.Kor 12,12-27 erschloss: Viele Glieder – ein Leib? Der Text führte die Teilnehmenden bereits ins Thema ein und verdeutlichte uns, dass schon Paulus mit der Problematik konfrontiert war, dass es gewisse Spannungen und Differenzen in seinen Gemeinden gab. Auf die Bibelarbeit folgte eine Andacht von Christoph Wiesinger, in welcher er dem Plenum einen autobiographischen Einblick in verschiedene Phasen seines Lebens gab, die ihn in seiner Frömmigkeit geprägt haben. Dabei beschrieb er, wie er im Studium häufiger die negative Erfahrung machen musste, dass in Diskussionen an der Universität ein gewisses „Schubladendenken“ vorherrscht und dass Klassifizierungen in Bezug auf Frömmigkeitsprägungen gemacht werden. Seine Andacht mündete schließlich in einem kurzen geistlichen Impuls zu Glaube, Hoffnung, Liebe. (1Kor 13,13)
Im anschließenden Vortrag stellte Dr. Fabian Kliesch gemeinsam mit Simeon Prechtel eine Auswertung der empirischen Studie über Religiosität von Studierenden vor, welche im letzten Jahr durchgeführt worden war. Diese Studie wurde u.a. an die christlichen Wohnheime in Heidelberg geschickt, aber im besonderen Maße sollten in dieser Studie die Religiosität von Theologiestudierenden betrachtet werden. In dieser Auswertung wurden anhand der Nennung der Teilnehmenden zur Religiösen Prägung (u.a. charismatisch, traditionell, liberal) 3 Untergruppen gebildet (Konservativ, Liberal, Kritisch) und diese Untergruppen wurden schließlich in den Dimensionen „Wort oder Tat“, „Schriftverständnis“ und „Lebensführung“ miteinander verglichen.

Das Ergebnis hierbei war, dass die sozialdiakonische Dimension des Glaubens bei Teilnehmenden mit „Konservativer“ Prägung mit denjenigen einer „Liberalen“ Prägung übereinstimmt. Die Auswertung zeigte auch, dass das Schriftverständnis zwischen diesen beiden Gruppen auch übereinstimmt und Unterschiede eher marginal sind. Ein Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen wurde jedoch in Bezug auf die Lebensführung deutlich, da hier die Antworten zu den Fragen wie „Kann Abtreibung mit dem Glauben vereinbar sein? Dürfen Homosexuelle kirchlich heiraten?“ doch voneinander abwichen.

Im nächsten Programmpunkt wurden dem Plenum nun konkrete und fassbare Gesichter der Studierendenschaft vorgestellt. So beschrieben die Studierenden Marcel Beaupain, Mirjam Thalmann, Benjamin Krauß und Carolin Kloß ihren geistlichen Hintergrund und äußerten sich über ihre Motivation zum Studium und über das Lernen von anderen Konfessionen. Ihr Zugang zum Glauben und die persönliche Glaubensauslebung unterscheiden sich bei den vier Studierenden, jedoch teilen sie alle die gleiche Leidenschaft: mehr über Glauben zu erfahren und diskursive Theologie zu betreiben.

Nach der Mittagspause ging es dann mit dem 2. Teil des Programms weiter. Hier war nun der Akzent auf die „Herausforderung der Vielfalt“ gesetzt. Hierfür wurde im folgenden Vortrag von Frau Prof. Nüssel untersucht, was es eigentlich mit den Begriffen „Evangelikal, Fundamental, Liberal und Charismatisch“ auf sich hat. Bei der Erläuterung dieser Richtungen muss natürlich immer bedacht werden, dass es sich dabei immer nur um Pauschalbeschreibungen handeln kann und dass diese Begriffe teilweise Fremdbezeichnungen sind. Im Vortrag wurde jedoch deutlich, dass alle Richtungen ihre Berechtigung haben und der Spiegel eines Diskurses sind, wie Christentum gelebt werden kann.

So kann „Evangelikal“ der Ausdruck eines lebendigen Christentums sein, doch auch „liberal“ kann eine Lebensäußerung sein, wie man Christentum leben kann. Das Christ-Sein steht jedoch in Gefahr, wo man sich mit Gewalt begegnet und wo es zur Abgrenzung kommt. Daher gilt es, dass man versucht Gemeinschaft zu finden und dass man dem anderen eine Chance gibt.

Im folgenden Vortrag von Thomas Renkert über „Soziale Identität und Konfliktpotentiale von Religionen“ sollte nun ein psychologischer Zugang zum Thema gemacht werden, indem die Ergebnisse verschiedener psychologischen Theorien und Studien über Gruppen vorgestellt wurden, in denen die Dynamiken und Auswirkungen einer Gruppenzugehörigkeit untersucht wurden. Die Ergebnisse der psychologischen Studie waren unter anderem, dass ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl die Tendenz hat, dass man andere Gruppen benachteiligen will und ihnen eher feindlich gegenüber steht.

Als letzter Programmpunkt stand für den Studientag noch das Abschlussforum an, wo zwei wissenschaftliche Mitarbeiter der theologischen Fakultät, Thomas Renkert und Rasmus Nagel, der Frage nachgingen, ob Glaube eine Rolle in der wissenschaftlichen Theologie spielen darf. Rasmus Nagel vertrat dabei die Pro-Seite, dass Glaube eine Rolle für die Theologie spielen darf, ja sogar muss, wohingegen Thomas Renkert die Gegenseite vertrat. Rasmus Nagel betonte für seine Position, dass wissenschaftliche Theologie die Aufgabe hat, dass sie den Glauben kritisch reflektiere. Thomas Renkert hingegen führte an, dass Theologie rational begreifbar sein muss, damit Argumentationen nachvollzogen werden können. Auch das Plenum war sehr aktiv an dieser Diskussion beteiligt und es entstand ein reger Austausch über diese Problematik, die schließlich noch in der Frage um die Konfessionsklausel für das Theologiestudium mündete.

Viele Glieder – ein Leib/d? Auch nach dem Studientag bleibt hier immer noch das Fragezeichen stehen. Dieser Tag hat jedoch verdeutlicht, dass die üblichen Pauschalisierungen und Klassifizierungen, die im Studienalltag über Frömmigkeiten gemacht werden, nicht der Individualität des Glaubens gerecht werden und einen konstruktiven Dialog behindern. Der Studientag hat uns die Möglichkeit gegeben, dass wir hier als Studierendenschaft gemeinsam zusammenkommen und uns mit dieser Thematik auseinandersetzen. Er hat uns auch dazu ermutigt, den Glauben unserer Kommilitonen besser kennenzulernen. Abschließend soll noch gesagt werden, dass es von großer Bedeutung ist, dass uns die theologische Fakultät einen freien Tag gibt, an dem wir als Studierendenschaft zusammenkommen können, um über Themen zu diskutieren und uns auszutauschen, die uns persönlich auch beschäftigen. Unser Dank geht deswegen ganz besonders an die beiden Kommilitonen, die den Studientag auf die Beine gestellt haben: Slawa Dreier und Simeon Prechtel. Beide sind übrigens nicht aktiv in der Fachschaft tätig, was nochmal verdeutlicht, dass der Studientag von jedem engagierten und interessierten Student organisiert und durchgeführt werden kann.

– ein Bericht von Marc Jansen

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